Page 76 - Entlebucher Brattig 2021
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                                                                         malen viele Kinder solche Bilder
                                                                         für Dr. StrubuLà.
                                                                         [Bild: zVg Stiftung Theodora]








                   Wie gross der Einfluss auf die körperliche und seelische   Schmetterlinge – in ihrer Frisur! Fröhlich kichernd setzt
                   Gesundheit tatsächlich ist, weiss man allerdings nicht   sich Dr. StrubuLà zu Silas ans Bett, packt ihre Ukulele
                   genau. Optimisten schreiben dem Humor weit mehr als   aus. Sie stimmt die Melodie von AC/DC’s T.N.T. an – in
                   die Verwandlung düsterer Gedanken in gute Laune zu.   der exklusiven Silas-StrubuLà-Version: «Dä Chräbs macht
                                                                         mier kei Angscht – Oi! Oi! – Nei, dä het kei Chance –
                   Im Kinderspital                                       Oi! Oi!» Silas gluckst vor Freude und klatscht – und nun
                                                                         lacht auch die Mutter. Das bange Warten und Hoffen ist
                   An wenigen Orten der Welt sind Lachen und Weinen –    für diesen Augenblick vergessen und weicht Sorglosig-
                   Freud und Leid – so nah beieinander wie im Kranken-   keit und Zuversicht.
                   haus. Es scheint fast, als sei in den Gängen des Kinder-
                   spitals das Gelächter, das lebensbejahende Geschrei   Beim Anblick von Dr. StrubuLà weiss die sechs Monate
                   und das fröhliche Gekicher der tapferen «Luusmeitli und   alte Sophia nicht, ob sie nun lachen oder weinen soll.
                   Luusbuebe» verstummt. In den Spitalbetten liegen Kinder,   Die Traumdoktorin, welche mit ihr unterwegs ist, zaubert
                   die Schicksale zu tragen haben, welche für ihre kleinen   bunte Tücher hervor, holt einen grünen Luftballon aus
                   Schultern eigentlich noch zu schwer erscheinen.       der Umhängetasche und bläst Seifenblasen in den Raum.
                   Silas blickt aus dem Fenster – der gleiche wolkenverhan-  Dr. StrubuLà und die Traumdoktorin summen gemein-
                   gene Frühlingshimmel wie gestern, die gleichen mono-  sam ein Kinderlied für die jüngste Patientin der Station.
                   tonen Geräusche des Überwachungsmonitors wie ges-     Sophia erholt sich von einer Operation und muss nur
                   tern – ein weiterer Tag ohne Fussballtraining und fernab   noch wenige Tage zur Überwachung im Spital bleiben.
                   von seinen Freunden. Daneben sitzt seine Mutter – reglos
                   und still. Alle Neuigkeiten sind erzählt und auf so viele   Auf der Notfallabteilung wartet der siebenjährige Patrick.
                   Fragen kennt sie keine Antwort.                       Zur bevorstehenden Blutentnahme wollte er einen Traum-
                                                                         doktor mitnehmen, zehn Ampullen werden heute benö-
                   Dr. StrubuLà tritt herein                             tigt. Die mühselige und angsteinflössende Prozedur der
                                                                         letzten Entnahme steckt ihm noch in den Knochen. Für
                   Mit einem Mal schwingt wie durch ein Wunder die Zim-  den heutigen Termin wünschte sich Patrick zur Unter-
                   mertür auf: Mit grossen Schritten und Haaren in alle   stützung die erfahrene Dr. StrubuLà an seiner Seite,
                   Himmelsrichtungen tritt Dr. StrubuLà ans Krankenbett.   denn Dr. StrubuLà fungiert zuweilen auch als Zauberin
                   «Na einen wunderschönen guten Tag, Kamerad Schwun-    – sie kann nämlich Patricks Tränen weinen, sodass er
                   grad!» Die Stimmung im Raum ändert sich urplötzlich.   das nicht machen muss. Patrick lacht glückselig ob der
                   Heiterkeit und Lebensfreude machen sich auf Silas’    albernen Geräusche der schluchzenden und jaulenden
                   Gesicht breit. Amüsiert blickt er Dr. StrubuLà an. Sie hat   Dr. StrubuLà hinter dem Bettvorhang und ihn überkommt
                   sich für den heutigen Spitalbesuch besonders heraus-  beinahe Mitleid mit der tapferen Traumdoktorin, wäh-
                   geputzt: weisse Schminke, eine rote Nasenspitze, Ringel-  rend ihm die Ärztin mühelos die erforderlichen Proben
                   hemd, Latzhose und quietschgelbe Quadratlatschen.     entnehmen kann.
                   Ausserdem ist sie stolze Trägerin bunter Blumen und
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