Page 80 - Entlebucher Brattig 2021
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ich, gerade bei Kindern enorm wichtig, dabei meinem Darf ich mit einem Musikverein ein Konzert gestalten,
Gegenüber gleichwohl ein gutes Gefühl geben. muss ich versuchen, alle ins Boot zu holen. Dabei dehne
ich das Vorhandene aus und gestalte daraus etwas Lus-
Narrenfreiheit tiges. Mein Ziel ist nur das Lachen der Kinder und ein
begeistertes Publikum. Kein Musiker oder kein Mensch
An all meinen Arbeitsorten geniesse ich sogenannte aus der Gruppe muss sich blossstellen, das übernehme
Narrenfreiheit. Ich darf und muss sogar ins Fettnäpfchen ich. So bin ich keine «Bedrohung», denn was gibt es
treten; Hierarchien und Strukturen gelten für mich nicht. Schlimmeres, als einen Clown, der andere blossstellt?
Und genau dies erlaubt es mir, frei zu sein und (fast) Ich werde nie begreifen, wie Komiker ihren Erfolg auf
alles zu dürfen. Die einzige Aufgabe eines Clowns ist es Kosten anderer machen. Für mich hat das nichts mit
zu unterhalten. Natürlich gibt es für mich als Clown auch Clownsein zu tun. Mein Fokus muss immer aufs eigene
Grenzen, zum Beispiel medizinische und pflegerische Scheitern gerichtet sein.
Abläufe oder Strukturen innerhalb der Musik, was im
Vorfeld meiner Planung alles klar definiert werden muss. Ich habe den schönsten Beruf der Welt, ich bin frei wie
So darf ich in meiner Arbeit die vorherrschenden Struk- ein Kind. Ich darf scheitern, spielen, lachen, ausprobieren
turen nützen und mit ihnen spielen. Gerade in der Musik und die Menschen zum Lachen bringen.
sind die Strukturen stark vorgegeben. Die Noten sind
klar definiert und die Abläufe bei einem Konzert sind Kurt Bucher, *1982, Luzern
festgelegt. Dies bietet mir eine grosse Spielwiese: Es Selbstständiger Clown
steht nirgends geschrieben, wie oft die Musiker beim Jeanloup.ch
Applaus aufstehen sollen, oder dass man ein Musikstück Auch auf Facebook und Instagram
auch auf Neun und nicht immer nur auf Vier anzählen
kann. Meine Aufgabe als Clown besteht darin, etwas aus 1 Der Titel ist dem gleichnamigen Roman von Heinrich Böll entlehnt,
der Mitte, aus dem Gewohnten, dem Üblichen heraus- hat aber nichts mit ihm zu tun.
fallen zu lassen.

