Page 115 - Entlebucher Brattig 2021
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Singen statt lachen
Friedrich Schmid
Nie vorher und später nie habe ich dermassen heftig Priester und Dichter Carl Robert Enzmann, ein fröhlicher
und anhaltend gelacht wie damals. Es war in den Neun- und humorvoller Mensch war und seinen Schalk gewiss
zigern. Wir waren im Chräigade zu Besuch, mein Schwa- nicht verbarg. Es gab also das Lachen schon damals.
ger war in seinem Element, imitierte private und öffent-
liche Bekannte, und wir lachten. Meine Frau und meine Gut geerdete Fröhlichkeit
Töchter hatten mich noch nie so in Tränen gesehen.
Denn eigentlich bin ich normalerweise freundlich, aber Doch wie klang dieses Lachen? So wie bei Toni Süess,
ernst. Schon als Kind habe ich mich ähnlich eingeschätzt: Magaziner in der Genossenschaft, der heutigen Landi?
Als ich um 1965 herum einen Schulvortrag über die vier Wenn er die gekaufte Ware ins Büro meldete, war in der
Temperamente hielt, wollte mein Lehrer Franz Hurni kreisrunden Öffnung nur sein Gesicht zu sehen mit ganz
sinnvollerweise wissen, wo ich mich denn einreihen leicht gehobenen Mundwinkeln, und zu hören war eine
würde, und mir war klar, dass ich ein Melancholiker war, freundliche, wohlklingende Sprechstimme, sonst nichts.
ein Griesgram, salopp gesagt. Selbstverständlich war Anders war es beim zweiten Toni, seinem Kollegen. Als
damals die offensive Zeig-dein-Lächeln-Zeit noch nicht unser Pferd Flöru einmal sehr nervös war, meinte er:
angebrochen. In meinem Milieu, das ich schätzte, war «Ho ho hoo, du Fülimäre, du, wotsch öppe niene hi!»
Ernsthaftigkeit ein höherer Wert. Mein Onkel erzählte und es klang tief aus sicherem Bauch herauf. Allerdings
einmal mit fröhlichem Stolz, wie er einen dummen Sprü- verging ihm diese gut geerdete Fröhlichkeit, als ihm
cheklopfer niedergeschwiegen habe. So war das. Den- altershalber der Lohn gekürzt wurde. Die Grundbedin-
noch fiel meinem Vater auf, dass er seinen eigenen gungen sollten eben schon stimmen. Mein Studer-Gross-
Grossvater, den Arzt Robert Enzmann, nie habe lachen vater lächelte oft, aber nur leise. Einmal allerdings tat er
sehen, was umso mehr auffiel, als dessen Sohn, der es hörbar: Wir hatten ein neues Tonband und er sollte
Aus Alfred Leonz Gassmanns
«Was die Väter sangen».
Singen, ein anderes Lachen.
[Bild: Friedrich Schmid]

