Page 120 - Entlebucher Brattig 2021
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Da lachen doch die Hühner… ja da muss sogar
ein Pferd lachen!
Im Tierreich lässt sich so einiges als Lachen interpretieren
Romano Cuonz
Von allen Lebewesen lacht allein der Mensch. Die britische Verhaltensforscherin Jane van Lawick
(Aristoteles 384 – 322 v. Chr.) Goodall wollte dann der Theorie ihres berühmten Lands-
manns auf den Grund gehen. 1960 begann sie damit,
Mit den meisten seiner naturwissenschaftlichen Folge- das Verhalten von Schimpansen im Gombe-Stream-
rungen lag der griechische Universalgelehrte Aristoteles Nationalpark in Tansania zu untersuchen. Dabei beob-
richtig. Seine Erkenntnis zum Lachen beispielsweise achtete sie bei wildlebenden Schimpansen, wie Mütter
nahmen später auch andere grosse Geister wieder auf. ihre Babys regelmässig kitzelten, worauf diese ein gluck-
Der bekannte Schweizer Schriftsteller Gottfried Keller sendes Lachen ausstiessen. Noch etwas äusserst Inter-
(1819 – 1890) präzisierte die Aussage noch. «Zum Lachen essantes beobachtete Goodall: Zu Beginn von Regen-
braucht es immer ein wenig Geist. Das Tier lacht nicht», perioden begannen Schimpansen, beinahe rituell zu
sagte er. Der englische Essayist William Hazlitt (1778 – tanzen. Dazu stiessen sie Laute aus, die man durchaus
1830) drehte dann die ganze Sache in einer pointiert als ein freudiges Lachen interpretieren konnte. Einge-
witzigen Formulierung um. «Der Mensch ist das einzige borene Afrikaner nannten das seltsame Schauspiel
Tier, das lacht», meinte er. «Schimpansen-Karneval». Auch gibt es bei Schimpan-
Jedoch, wie klug oder ulkig die Worte auch tönen mögen: sen einen Gesichtsausdruck, das sogenannte «Open-
Mit der kategorischen Aussage, dass das Lachen allein Mouth-Face», mit dem sie Artgenossen zum Spielen
dem Menschen in die Wiege gelegt worden sei, könnten motivieren. Übrigens: Auch andere Affenarten kitzeln
sich Denker und Dichter auch geirrt haben. Zumindest ihre Babys gerne, bis sie kichern.
bei zahlreichen Tierfreunden – und schon gar bei Haus-
tierbesitzern – stossen sie auf Widerspruch. Was am Tiere, die sprichwörtlich lachen
meisten erstaunt: Selbst seriöse Naturwissenschaftler
sind sich in dieser Frage längst nicht mehr so sicher. Der Allerdings: wissenschaftlich seriös lässt sich die Frage,
Vater der Evolutionstheorie etwa, Charles Robert Darwin ob Tiere lachen können, bis zum heutigen Tag nicht
(1809 – 1882), war der Meinung, Affen könnten lachen beantworten. Und dennoch gab es zu allen Zeiten Men-
und Elefanten Tränen weinen. schen, die fest daran glaubten, dass auch Tiere es lustig
haben könnten. Wohl deshalb ist das Lachen von Tieren
in der deutschen Sprache sogar sprichwörtlich gewor-
den. Die Redewendung «Da muss ja ein Pferd lachen»
brauchen wir noch immer, wenn wir betonen wollen,
dass etwas unglaublich lächerlich wirkt. In Deutschland
sagt man zu Leuten, die einen schadenfroh angrinsen,
überdies: «Hör auf zu grinsen wie ein Honigkuchen-
pferd!» Leckere Honigkuchenpferde werden auf Weih-
nachtsmärkten – beispielsweise dem Nürnberger Christ-
kindlmarkt – als Pfeffer- oder Lebkuchen zuhauf verkauft.
Der Kuchen stellt ein Schaukelpferd dar. Sein Marken-
zeichen ist ein breites, mit weissem Zuckerguss gezeich-
netes Grinsen. Bekannt – und dies sogar in Schweizer
Auch Affenbabys kichern, Mundarten – ist auch der Ausdruck: «Da lachen ja die
wenn die Mutter sie kitzelt.
Hühner!» Die Redewendung geht wohl davon aus, dass

