Page 40 - Entlebucher Brattig 2021
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Was ich von meinen Kollegen mit ähnlich
vielen Diensttagen heraushörte: Weder
sie noch ich haben ein wirkliches Kompa- Zweifellos gab es jedoch unter den alt-
niekalb erlebt. Die schnellen Ausbildungs- gedienten Soldaten, Gefreiten und Wacht-
tage erlaubten es nicht mehr. Viele Dienst- meistern einige, die es sich zum Ziel gesetzt
pflichtige wären es zwar gerne gewesen. hatten, die öden Diensttage unvergesslich
Und einige wenige von ihnen waren auch in und leichter zu machen. Da fanden sich auf
der Lage, regelmässig Sprüche abzurufen abgelegenen Alpen unter den Blachen der
und gute Stimmung zu verbreiten. Sie waren vollgestopften Haflinger plötzlich ein paar
vielleicht schlauer, pfiffiger als das Gros der Schwizerörgeli oder ein Alphorn und natürlich
Truppe und machten den anderen kaum eine Reserveflasche zum «Ölen» der Jodler-
Schwierigkeiten. Sie verstanden es, an die stimmen und zum Auffüllen der überlebens-
Grenze zu gehen und diese hin und wieder zu wichtigen «Wänteli». Aber der geheime
überschreiten, ohne in die «Kiste» geworfen zu Wunsch, mit dem Titel Kompaniekalb ausge-
werden. Manch ein Kadi oder Fourier warf sich zeichnet zu werden, blieb den allermeisten
insgeheim ins hohle Kreuz, wenn am Kompanie- unerfüllt. Vielleicht wurden später, eben am
abend angedeutet wurde, dass er selbst das Stammtisch, hundert mehr oder weniger lustige
eigentliche Kompaniekalb war und nicht in eine Episoden kolportiert und aus dem Verursacher
andere Kategorie eingeteilt wurde. Denn im einen ein Kompaniekalb zusammengekleistert. Zu
oder andern WK-Dorf erzählten die Servierfrauen einem HD Läppli oder gar einem Schwejk hat es
und Mitglieder des Damenturnvereins noch Jahre aber kaum gereicht. Es fehlten den «Aspiranten»
später, dass man ein Kompaniekalb nicht mit dem die Lebenserfahrung, die nötige Ausdauer, der Witz
(breiter gestreuten) Kompaniebock verwechseln und die Schlagfertigkeit, und letztlich mangelte es
sollte. Wie gesagt, ich habe nie ein Kompaniekalb ihnen auch an Mut zur konsequenten Subversivität.
erlebt. Es würde eher in jenen Topf geworfen, den Hingegen staunt man eine Generation später, wenn
der NZZ-Redaktor oben Kauderwelsch nannte. Aber man gewisse hohe Tiere und Politiker in den höchs-
wenn es ein solches Kalb gegeben hätte, dann hätten ten Ämtern sah oder immer noch sieht, weil sie
die «Göjer» sicher behauptet, das könnte nur ein Ent- bereits als «Hamburger» ausgemustert wurden. Man
lebucher sein. Und diese Vorurteile – auch wenn sie staunt, weil sie damals im Militär zu den «Unbrauch-
nicht ungern gehört wurden – bezahlten die Kompanie- baren» zählten oder als Möchte-Gern-Kompanie-
kälber, die es nicht gab, mit schöner Regelmässigkeit kälber verschrien waren. Namen kommen mir und
mit List und Witz zurück, vor allem, wenn sich ein Vor- den Lesern sofort in den Sinn, aber hier schweigt des
gesetzter aus dem «Göi» in der Truppe befand. Sängers Höflichkeit. Honi soit, qui mal y pense.
Dominik Brun, *1948, von Entlebuch in Engelberg
Schriftsteller und Hausmann

