Page 149 - Entlebucher Brattig 2021
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Corona-Virus: Herausforderung und Chance
Was sich zunächst in China und Italien Die noch engere abteilungsübergreifende 3. Das Virus beschleunigt die bereits lau-
ausgebreitet hatte, stand auf einmal beim Teamzusammenarbeit gab uns Halt. Sie fende Digitalisierung. Auf einmal finden
Luzerner Kantonsspital auch in Wolhusen half die Ungewissheit der Pandemie-Situ- Besprechungen via Videokonferenz statt,
im Mittelpunkt: das Corona-Virus. Was ation anzunehmen. Jegliche personellen Übungsvideos für Patienten ergänzen
würde dies für mich als Leiterin der Ressourcen des Spitals wurden aktiviert. unsere Tipps für Heimübungen, und auch
Abteilung Therapien in einem Akutspital Dies hat mich sehr beeindruckt. Es war Homeoffice verbessert das Arbeitssetting.
bedeuten? schön zu sehen, wie wir uns im gesam- Hoffentlich gibt es keine weitere «Welle»,
Wir hatten uns intensiv auf die ersten ten Spital unterstützten und wie kreativ aber ich bin zuversichtlich, dass wir dank
Covid-Patienten vorbereitet. Im Aus- gewisse Lösungsansätze geschaffen wur- der Erfahrungen der letzten Monate und
tausch mit den spitalinternen Verantwort- den, um die Umstände gemeinsam zu dem Wissen, das wir uns angeeignet
lichen gestalteten wir Therapie-Räume in bewältigen. haben, auch diese Herausforderung über-
Zimmer für Covid-Patienten um, definier- winden würden.
ten neue Arbeitsabläufe und beschafften Rückblickend nehme ich vor allem drei
uns wissenschaftliche Studien und Arti- Dinge wahr: Carmela Flury
kel in Zusammenarbeit mit diversen Uni- 1. Mir wurde bewusst, wie wichtig Infor- Finsterwald
versitätsspitälern. Die betroffenen Patien- mationen sind. Dies gilt sowohl für
ten schienen Angst zu haben vor dem Patienten als auch für das Personal. Gut
unbestimmten Krankheitsverlauf. Ihnen informiert zu sein, lässt Ängste schwin-
fehlten soziale Kontakte, als sie keine den, erzeugt einen Handlungsspielraum,
Besucher mehr empfangen durften. verleiht einem das Gefühl, aktiv etwas
Umso wichtiger war es, dass z.B. in phy- zum Ausgang der Situation beitragen zu
siotherapeutischen Behandlungen nicht können.
nur die Verbesserung der Lungenfunktion 2. Die Kraft, Schwierigkeiten zu überwin-
angestrebt wurde, sondern auch die aus- den, ist massgeblich davon abhängig, ob
führliche Information zum Krankheitsbild. wir uns unterstützt fühlen. Gemeinsam
Es galt ihre Fragen zu beantworten, ihnen lassen sich auch grosse Herausforderun-
Verhaltenstipps zu geben und einfach für gen meistern. Krisen sind zwar einerseits
sie da zu sein. belastend, andererseits setzen sie auch
ungeahnte Energien frei und lassen
Neues entstehen.
Covid-19 ist keine Grippe
Mitte März habe ich mich mit Covid-19 darauf kontaktierte ich einen mir seit Jahren abgesehen von der gesundheitlichen Unsi-
angesteckt. Jetzt ist Anfang August, fast vertrauten Arzt. Und erst 24 Stunden später cherheit als angenehm: Die ganze Familie
fünf Monate später. Noch immer leide ich machte sich das Virus bei mir durch erhöhte war daheim, alle friedlich, arbeitsam und
unter den Folgen dieser Infektion. Meine Temperatur, ein starkes Grippegefühl und hilfsbereit. Ich selber konnte auch wieder
Lunge zeigt Vernarbungen, bis vor Kurzem Kopfweh bemerkbar. Wellenartig überkam arbeiten – ein Vorteil, wenn das Büro im
hat mich wochenlang ein starker Husten mich eine grosse Hitze im Kopf, ein extre- Quarantänebereich liegt. Das Wetter war
gequält. Ich komme schnell ins Keuchen mes Beklemmungsgefühl mit Herzrasen – herrlich, der Garten blühte.
und muss bei der geringsten körperlichen und Angst. Am Montagmorgen meldete ich Allerdings ging es – wie eingangs
Anstrengung immer wieder Pausen ein- mich beim Hausarzt zum Covid-19-Test an beschrieben – mit meiner Gesundheit nicht
legen. Regelmässig überfällt mich eine und schaffte es kaum dorthin. Meine Kraft wirklich aufwärts. Meine Körpertemperatur
ungeheure Müdigkeit und es bleibt mir war am Tiefpunkt. Zu den Grippesympto- ist immer noch erhöht, und das seit Mitte
nichts anderes übrig, als mich hinzulegen. men gesellten sich Appetitlosigkeit und der März. Ärztliche Abklärungen verschiedens-
Das Schlimmste aber ist die ängstliche absolute Verlust des Geruchs- und ter Art kamen alle zum gleichen Schluss:
Beklemmung, die mich immer wieder über- Geschmackssinns. Die Nächte waren Man wisse halt noch zu wenig über dieses
fällt, seit sie mich am 17. März zum ersten anstrengend: Ich wachte stündlich auf, war Virus und dessen mittel- und langfristige
Mal gepackt hat. höchst unruhig, und etwa zwei, drei Mal Folgen. Trotzdem bin ich zuversichtlich. Ich
An jenem Dienstag rief ich die Ärzte-Hotline war ich kurz davor, die Notfallnummer zu bin arbeitsfähig, konnte mich während der
meiner Krankenkasse an. Noch hatte ich wählen. Das positive Testresultat erhielt ich Ferien erholen, besuche eine Atemthera-
keine Symptome wie Fieber, Kopfweh oder erst am Freitagmorgen. pie. So hoffe ich, meine Kraft nach und
Atembeschwerden. Mein erstes Symptom Nach etwa zehn Tagen ging es mir besser, nach wieder aufbauen zu können.
der Covid-19-Erkrankung war Angst. Eine die akuten Krankheitssymptome klangen Was mich verfolgt, ist die innere Unruhe:
innere Unruhe hatte mich ergriffen. Tags ab. Die Zeit der Quarantäne erlebte ich Ich meide Menschenansammlungen, ich

