Page 128 - Entlebucher Brattig 2021
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                   Die vierjährige Ausbildung zum Designer von 1963 bis   aufstrebende neue Firmen darstellte. Für uns war es ein
                   1967 an dieser Hochschule für Gestaltung in Ulm prägte   sehr anspruchsvoller, aber vielversprechender Start.
                   mich nachhaltig. Die Studienfinanzierung ermöglichte
                   ich mir dank Nebenarbeiten, unter anderem mit ersten   Funktionelles Design und ästhetische Formgebung
                   Designprojekten für damalige Küchenhersteller wie Gruco
                   und Gaggenau. Zusammen mit Studienkollegen ent-       Künstlerische Aktivitäten, das Kunstschaffen im All-
                   wickelte ich Konzeptstudien für ein Baukastensystem   gemeinen interessieren mich seit meiner Lehr- und Aus-
                   von Küchenapparaten. Dies war ein Novum für die       bildungszeit. Als Industriedesigner habe ich eine Vielzahl
                   damalige Zeit, denn Herd und Backofen in Module zu    Konsum- und Investitionsgüter gestaltet. Den Dingen
                   trennen, sodass sie einzeln eingebaut werden konnten,   auf den Grund zu gehen und technisch-konstruktive Pro-
                   gab es bis dato noch nicht.                           bleme in funktionelle, nützliche Produkte umzusetzen,
                                                                         war mein Beruf und sie ästhetisch zu formen mein gros-
                   Lehr- und Wanderjahre                                 ses Anliegen. Als Designer muss man viele Faktoren,
                                                                         technische Gegebenheiten, Wunschvorstellungen und
                   Nach dem Studium folgten meine Lehr- und Wander-      Rahmenbedingungen berücksichtigen. Weil mir jedoch
                   jahre. Sie führten mich nach Italien, England, Chile, wie-  die kompromisslose Gestaltung und Ästhetik stets ein
                   der nach Italien und schliesslich zurück in die Schweiz.   besonderes Anliegen war, fand ich mich immer wieder
                   Über 15 Jahre lang war ich verantwortlicher Geschäfts-  im Dilemma zwischen einer pragmatischen Produkt-
                   führer der Designabteilung Devico Design AG in Gock-  realisation versus die formvollendete Gestaltung. Umso
                   hausen bei Zürich. Es war in jeder Hinsicht eine berei-  schöner war es für mich, als mir 2019 die Talgemein-
                   chernde Zeitspanne.                                   schaft Sarganserland-Walensee den Kulturpreis verlieh.
                   1994 folgte, zusammen mit meiner Frau Margarita, der   Dr. Bruno Glaus beschrieb mein «Doppelleben» sehr
                   Schritt in die Selbstständigkeit – wir gründeten unser   treffend in seiner Laudatio: «Werner Zemp hat immer
                   eigenes Designatelier. Ideale Räumlichkeiten fanden wir   zwei Seelen in seiner Brust, die produktgestaltende
                   im Technopark in Zürich. In diesem Gebäudekomplex     Seele, die auf Rahmenbedingungen und Vorgaben
                   mit hoher Nutzungsvielfalt entstand ein neues industri-    Rücksicht nehmen musste, vor allem auf Funktionen
                   elles Zentrum, das in einem Quartier, durchmischt von   und Materialisierung, und die von Zweckorientierung
                   Kultur, Wirtschaft und Kunst, einen Schmelztiegel für   befreite Seele.» 2
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