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Die vierjährige Ausbildung zum Designer von 1963 bis aufstrebende neue Firmen darstellte. Für uns war es ein
1967 an dieser Hochschule für Gestaltung in Ulm prägte sehr anspruchsvoller, aber vielversprechender Start.
mich nachhaltig. Die Studienfinanzierung ermöglichte
ich mir dank Nebenarbeiten, unter anderem mit ersten Funktionelles Design und ästhetische Formgebung
Designprojekten für damalige Küchenhersteller wie Gruco
und Gaggenau. Zusammen mit Studienkollegen ent- Künstlerische Aktivitäten, das Kunstschaffen im All-
wickelte ich Konzeptstudien für ein Baukastensystem gemeinen interessieren mich seit meiner Lehr- und Aus-
von Küchenapparaten. Dies war ein Novum für die bildungszeit. Als Industriedesigner habe ich eine Vielzahl
damalige Zeit, denn Herd und Backofen in Module zu Konsum- und Investitionsgüter gestaltet. Den Dingen
trennen, sodass sie einzeln eingebaut werden konnten, auf den Grund zu gehen und technisch-konstruktive Pro-
gab es bis dato noch nicht. bleme in funktionelle, nützliche Produkte umzusetzen,
war mein Beruf und sie ästhetisch zu formen mein gros-
Lehr- und Wanderjahre ses Anliegen. Als Designer muss man viele Faktoren,
technische Gegebenheiten, Wunschvorstellungen und
Nach dem Studium folgten meine Lehr- und Wander- Rahmenbedingungen berücksichtigen. Weil mir jedoch
jahre. Sie führten mich nach Italien, England, Chile, wie- die kompromisslose Gestaltung und Ästhetik stets ein
der nach Italien und schliesslich zurück in die Schweiz. besonderes Anliegen war, fand ich mich immer wieder
Über 15 Jahre lang war ich verantwortlicher Geschäfts- im Dilemma zwischen einer pragmatischen Produkt-
führer der Designabteilung Devico Design AG in Gock- realisation versus die formvollendete Gestaltung. Umso
hausen bei Zürich. Es war in jeder Hinsicht eine berei- schöner war es für mich, als mir 2019 die Talgemein-
chernde Zeitspanne. schaft Sarganserland-Walensee den Kulturpreis verlieh.
1994 folgte, zusammen mit meiner Frau Margarita, der Dr. Bruno Glaus beschrieb mein «Doppelleben» sehr
Schritt in die Selbstständigkeit – wir gründeten unser treffend in seiner Laudatio: «Werner Zemp hat immer
eigenes Designatelier. Ideale Räumlichkeiten fanden wir zwei Seelen in seiner Brust, die produktgestaltende
im Technopark in Zürich. In diesem Gebäudekomplex Seele, die auf Rahmenbedingungen und Vorgaben
mit hoher Nutzungsvielfalt entstand ein neues industri- Rücksicht nehmen musste, vor allem auf Funktionen
elles Zentrum, das in einem Quartier, durchmischt von und Materialisierung, und die von Zweckorientierung
Kultur, Wirtschaft und Kunst, einen Schmelztiegel für befreite Seele.» 2

