Page 127 - Entlebucher Brattig 2021
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           Ein Doppelleben als Systemdenker –

           vom Design zur Kunst






           Werner Zemp










           Angefangen hat mein Werdegang mit meiner Lehre als    «Die Ulmer Schule verstand sich als Nachfolge der Bau-
           Möbelschreiner in Hitzkirch, danach ging es weiter mit   haus-Bewegung. Doch anders als beim Bauhaus, wo
           Abend- und Tageskursen an der seinerzeitigen Kunst-   Handwerk und Kunst im Zentrum standen, betrachtete
           gewerbeschule Luzern und schlussendlich folgte die    Ulm Design als wissenschaftlichen Prozess des schritt-
             Stagiaire-Ausbildung zum Innenarchitekten in Lenzburg.  weisen Entwickelns und baute Feedbackrunden in den Ent-
                                                                 stehungsprozess ein. Die Berufsbezeichnung «Designer»
           Hochschule für Gestaltung Ulm                         hatte sich damals noch längst nicht etabliert. Man sprach
                                                                 von Formgestalter und fragte häufig, ob es denn so etwas
           Der Zufall wollte es, dass ich auf eine Ausschreibung   Seltsames überhaupt brauche. Heute besitzt Design einen
           der namhaften Ulmer Hochschule für Gestaltung stiess.   komplett anderen Stellenwert; heute wird kein Produkt
           Sie klang in meinen Ohren wie ein Ruf, dem ich mich   mehr hergestellt, ohne auf Gestaltung zu achten.» 1
           nicht zu entziehen vermochte. Nicht nur Innenräume zu
           gestalten, sondern auch deren Gegenständen und Pro-
           dukten – vom Sitzmöbel in der Wohnung bis zum Koch-
           geschirr und Mixer in der Küche – ein Gesicht zu geben,
           das zog mich magisch an. Ich schrieb eine Bewerbung
           und wurde aufgenommen.
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